Die Ausbildung künftiger Priester spiegelt das Ideal wieder, das eine Zeit vom Priester hat. Die Orte, an denen Priesterausbildung stattfindet, sind dabei alle andere als zufällig gewählt, sondern drücken die Ideale der Zeit mit den Mitteln der Architektur aus.

Kurz vor Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils, im Mai 1962, hatte Erzbischof Julius Döpfner in Freising einen unter immenser Beteiligung der gesamten Diözese errichteten Neubau des Seminars einzuweihen. Dies tat er wohl gegen seine Überzeugung, denn schon längst standen die die Frage im Raum, die Priesterausbildung von Freising nach München zu verlegen. Nach etlichen Jahren des intensiven Ringens beschloss Döpfner den Umzug des Seminars nach München. Zu Beginn des Wintersemesters 1968/1969 wechselten die Theologiestudenten an die Münchener Universität; mit Ablauf des Sommersemesters 1969 endete der Betrieb der Freisinger Hochschule, die 150 Jahre lang als Hirn und Herz der Diözese diente. Was man in München nicht hatte: ein Seminar.

Als vorläufige Unterkunft mietete die Erzdiözese das Pius-Kolleg der Steyler Missionare in der Dauthendeystraße nahe des Waldfriedhofs; zusätzlich wurde das Scheyrer Kolleg in der Veterinärstraße erworben. Man rechnete mit einer kurzen Übergangszeit bis zum Bezug eines neuen Gebäudes; Generalvikar Defregger gab im Juli 1966 in der Kirchenzeitung optimistisch bekannt: „Die Pläne für den Neubau eines Priesterseminars an der Leopold/Georgenstraße werden bald fertig gestellt sein und bedürfen dann noch der Genehmigung. Der Baubeginn für dieses Haus ist im kommenden Jahr.“ Schwierigkeiten aller Art durchkreuzten diesen ambitionierten Plan und zwangen zu einer fünfzehnjährigen Zeit der Improvisation: Steyler Kolleg, freie Wohngemeinschaften, seit 1982 eine Unterkunft im Herzoglichen Georgianum waren die Stationen einer Priesterausbildung im Umbruch.

Tatsächlich ging es nicht nur um eine Standort-, sondern mindestens so sehr um eine Systemfrage: Die Mentalität der Priesterseminaristen hat sich binnen nur einer Generation völlig gewandelt; die gesamtgesellschaftliche Autoritätskrise hatte auch die Kirche erreicht. Autorität stand gegen egalitären Stil, Freiheit gegen Bindung, im letzten standen Priestertum, Kirchenbild und Theologie insgesamt in Frage – tektonische Verschiebungen traten mit voller Wucht auf und wirken bis heute nach. In einer derart verunsicherten Kirche Priesterausbildung zu gewährleisten war ein beständiger Drahtseilakt zwischen den kirchenpolitischen Fronten; ein klassisches Seminargebäude passte schlichtweg nicht in diese mit sich selbst zerfallene Zeit. Dass es rund um das bereits längst im Besitz der Klerikalseminarstiftung befindliche Grundstück an der Georgenstraße kommunalpolitischen Wirbel gab, da für den Seminarneubau ein Stück Grünfläche geopfert wurde, auf dem bis zum Krieg freilich eine Villa gestanden hatte, passte nur ins Bild der Zeit

Eines der großen Verdienste des jungen Erzbischofs Josef Ratzinger war die Entscheidung zugunsten des Neubaus an der Georgenstraße; glücklicherweise fiel der Bau um einige Nummern kleiner aus als die ursprünglichen Planungen aus den 1960er Jahren vorsahen. Am 20. November 1981 konnte der Erzbischof den Grundstein für das neue Priesterseminar legen. Gerhard Haisch übersetzte das auf dem Grundstein eingemeißelte Petrus-Wort vom „lebendigen Haus“ in Architektur und formulierte drei Ziele für seinen Entwurf, der realisiert und am 6. November 1983 vom nunmehr neuen Erzbischof Friedrich Wetter eingeweiht wurde: Das Seminar sollte den Seminaristen Heimat bieten, es sollte zu schöpferischer Tätigkeit herausfordern und es sollte geistliches Leben fördern. Damit benannte der Architekt drei Themen, die den frühen 1980er-Jahren lagen: Schöpfung und Kreativität sowie Identität und Spiritualität.

Regens Msgr. Georg Mangold (Regens bis 1988) zog zusammen mit der ersten Generation von Alumnen vom Georgianum herüber in den Neubau; damals reichten die 76 Studentenzimmer bei weitem nicht für alle Kandidaten aus. Regens Msgr. Rainer Boeck (1988 bis 2000) musste die innere und äußere Verfassung des Priesterseminars an die stark zurückgehende Zahl von Priesteramtskandidaten hin anpassen, die damals dem Trend der gesamten deutschen und westeuropäischen Kirche entsprach. Die Belegung blieb in den Jahren unter Regens Msgr. Dr. Franz Joseph Baur (2000 bis 2013) mit etwa 25 Seminaristen einigermaßen stabil. Seitdem in den Jahren nach 2010 die Anzahl der Kandidaten noch einmal zurückging, hat sich der Charakter des Seminars weiter gewandelt. Wer heute in ein Seminar eintritt, muss entschiedener sein, seine Berufung ernsthaft prüfen zu wollen. Die Lage mitten in Schwabing ist dazu ein unbezahlbarer Vorteil, nicht nur um der Nähe zur Universität willen: Priesterliches Leben muss sich mitten in einer Umwelt bewähren, die alles andere als christlich geprägt und berufungsfreundlich ist. Hier in Schwabing können sich die Seminaristen bereits optimal darauf vorbereiten. Die Chronik im „Rundbogen“ und der Blog auf der Homepage berichten vom großen Feiertag und vom kleinen Alltag, der sich seither im Haus an der Georgenstraße abspielt.

Regenten

Msgr. Georg Mangold, 1983-1988
Msgr. Rainer Boeck, 1988-2000
Msgr. Dr. Franz Joseph Baur, 2000-2013
Dr. Wolfgang Lehner, seit 2013

Spirituale

Herbert Krist, 1983-1985
P. Ludwig Schuhmann SJ, 1985-1992
P. Heribert Stumpf OMI, 1992-1996
P. Paulus Heiß OSB / Josef Heiß, 1996-1999
Gerhard Beham, 1999-2004
P. Benedikt Nettebrock OSB, 2005-2010
Dr. Andreas Schmidt, seit 2011

Subregenten

Dr. Bernhard Haßlberger, 1983-1987
Dr. Siegfried Kneißl, 1987-1991
Stefan Füger, 1991-1993
Bernhard Kremmer, 1993-1999
Martin Guggenbiller, 1999-2004
Thomas Brei, 2004-2007
Andreas Günther, 2007-2012
Dr. Benjamin Gnan, 2012-2019
Dr. Benjamin Bihl, seit 2019

Dozent für Liturgik und Kirchenmusik

Diakon Bernhard Stürber, seit 1993

Senioren/Studentensprecher

1983/84 Georg Neumaier
1984/85 Peter Demmelmair
1985/86 Hans Speckbacher
1986/87 Helmut Bauer
1987/88 Thomas Frauenlob
1988/89 Thomas Huber
1989/90 Bernhard Röhrl
1990/91 Alfred Maier
1991/92 Christoph Huber
1992/93 Michael Schrom
1993/94 Thomas Gröner
1994/95 Stephan Pauly
1995/96 Martin Sinnhuber
1996/97 Thomas Brei
1997/98 Herbert Seitz
1998/99 Andreas Lackermeier
1999/2000 Andreas Horn
2000/01 Tobias Rother
2001/02 Markus Zurl
2002/03 Albert Hack
2003/04 Roland Gruber
2004/05 Martin Kurlitsch ✝
2005/06 Josef Steindlmüller
2006/07 Benjamin Gnan
2007/08 Anton Haslberger
2008/09 Anton Unden
2009/10 Bruno Bibinger
2010/11 Florian Haider, ab 27.6.2011 Martin Ghiraldin
2011/12 Michael Maurer
2012/13 Philipp Werner
2013/14 Josef Rauffer
2014/15 Martin Bauer
2015/16 Jaime-Pasqual Hannig
2016/17 Andreas Kolb
2017/18 Maximilian Mages, ab Wintersemester Pastötter
2018/19 Korbinian Stegemeyer
2019/20 Christian Ulbrich
2020/21 Sebastian König