Erstellt am 20. November 2024 von Theodor Pernath

Theodor Pernath: Korbinian, sprich zu uns!

Würden wir uns mental auf eine Reise durch das Erzbistum München und Freising machen und an so mancher Haustüre klopfen, um von Gläubigen etwas über „unseren“ Bistumsheiligen zu erfahren, so würden die Antworten zwischen dem Bärenwunder und der harschen Persönlichkeit des Heiligen tangieren. Vielleicht würden wir noch etwas von seinem Grab am Freisinger Domberg zu hören bekommen und Richtung Alpenvorkamm mit dem Heiligen Rupert, der Heiligen Erentrudis oder dem Heiligen Virgil konfrontiert werden.

Es scheint fast so, als würde keiner Korbinian richtig kennen, sondern nur eine Konzeption vor Augen haben – und doch bietet der Heilige so viel mehr. Auch, wenn ich genau aus dem Teil des Erzbistums komme, der eher Rupert, Virgil oder Erentrudis kennt, ist es mir ein Anliegen, die „Messages“, die Korbinian uns vor über 1300 Jahren gab, genauer unter die Lupe zu nehmen, denn trotz der Diskutabilität seiner Person kann er uns Zuspruch geben, Zeugnis für Christus und seine Kirche abzulegen.

Laut möchte man rufen: „Korbinian, sprich zu uns!“

Einen ersten Impuls gibt uns Korbinian nicht mit seinen (Wunder-)Taten, sondern in seiner persona, denn der Heilige steht für die Einheit der europäischen Christenheit. Dies mag sich vielleicht seltsam anhören, denn schließlich kennt bistumsintern kaum jemand die Geschichte des Heiligen. So lernen wir Korbinian als Edelmann kennen, welcher aus dem Norden Frankreichs stammt und in der Kontemplation Gott sucht; ihn zieht es, wie viele Christen des ersten Jahrtausends an die Gräber der Apostelfürsten, also nach Rom. Dort wird er von Papst Gregor II. zum Bischof geweiht und muss sich der ehemaligen römische Provinz Rätien, unserem heutigen südbayerischen Erzbistum, unserer Heimat annehmen. Vielleicht erkannte er damals schon die Sehnsucht nach Christus, die uns bis heute beeinflusst.

 

Mit seinen Reisen durch das Land (und später auch nochmals nach Rom) steht Korbinian wie kein Zweiter für die Universalität der frühen Kirche, die Frankreich, Rom und unser Bistum bis heute verbindet und dieselbe Kirche darstellt, wie sie damals, heute und morgen existieren wird. Dies soll uns heute Mahnung, wie zugleich auch Zuversicht sein, denn unabhängig unserer lokalen und internationalen Differenzen (man denke nur an den afrikanischen, wie auch asiatischen Kontinent) gehören wir alle zusammen und werden in Christus zu einem Leib. So dürfen wir Seminaristen, so darf ich durch das Leben Korbinians vor knapp 1300 Jahren erkennen, dass diese Einheit, diese Universalität nicht gegeben ist, sondern vielmehr einen Auftrag, einen Imperativ darstellt.

In einem zweiten Schritt können wir Korbinian als ständigen Pilgersmann verstehen, der seine spirituelle Wanderschaft erst dreißig Jahre nach seinem Tod beenden durfte und in der Krypta des Freisinger Mariendoms Ruhe finden konnte. Persönlich denke ich, dass dies der mitunter elementarste Zug des Heiligen ist, dessen Stärke besonders jungen Gläubigen immer wieder eine Fackel der Verkündigung in die Hand gibt.

Ohne Umschweife müssen (Kirchen-)Historiker und interessierte Gläubige feststellen, dass Korbinian augenscheinlich nicht gerne am Freisinger Hof war und sogar einem Mordkomplott entging – keine guten Voraussetzungen für eine schlussendliche Ruhestätte im Herzen unseres Bistums. Aber durchdenkt man die Wanderschaft Korbinians auf Neue, so wird einem klar, dass der Heilige sein ganzes Leben, in seinen Fehlern und vielleicht auch Versuchungen, Christus gesucht hat, bis dass er selbst zu einem Mittler wurde. Eine möglicherweise komplizierte Formulierung, wie ich selbst zugeben muss: Korbinian ist rastlos. Immer wieder tangiert er zwischen Italien, Frankreich, Tirol und Bayern. Seine Reisen gleichen jedoch vielmehr einem Suchen; einem Suchen nach Gott und dem Platz, an den er gerufen ist – eine Frage, die doch aktueller nicht sein könnte. Wie viele Menschen suchen nach dem Ort, an dem sie Ruhe und Frieden finden dürfen.

Fast schon widerwillig macht Korbinian sich jedoch immer wieder nach Freising auf; dort wird er gebraucht. Bis in den Tod hält er dem Ort und seinen Gläubigen die Treue. Ruhe finden will er in Südtirol; doch selbst über den Tod hinaus setzten die Menschen nahe der Isar, unsere Vorfahren auf ihn und holen ihn zurück.

Ich bin davon überzeugt, dass Korbinian schon zu Lebzeiten verstanden hatte, was es heißt „Verantwortung zu tragen“; wenn Menschen ihn also anrufen, zu seinen Gebeinen pilgern, wird er sich dieser Verantwortung also auch nicht entziehen. So sind auch wir eingeladen, vor den Heiligen Korbinian zu treten und darum zu bitten, uns standfest in Christus zu machen – bis über den irdischen Tod hinaus.

 

Das Foto zeigt das Reliquiar von Max Faller im Altar des Münchener Priesterseminars, das eine kleine Reliquie des heiligen Korbinian enthält.