„Sexueller Missbrauch ist Mord an der Seele!“ – Dietmar Achleitner bei den Seminaristen von Priesterseminar und Herzoglichem Georgianum
Als Jugendlicher wurde er jahrelang von einem Priester sexuell missbraucht, doch er hat es geschafft, nicht zu zerbrechen. Dietmar Achleitner ist immer wieder „vorwärtsgefallen“, wie er selber schreibt: Er hat sein Leben in den Griff bekommen, hat eine große Familie und war jahrzehntelang als Lehrer tätig. Heute gibt er in der Missbrauchsprävention seine Erfahrungen weiter: Im vergangenen Jahr hat er eine viel beachtete Radtour mit vom Thema Missbrauch Betroffenen nach Rom organisiert, in diesem Jahr soll eine weitere Tour durch das Erzbistum folgen. Das Ziel ist: möglichst viele Menschen für das Thema des sexuellen Missbrauchs zu sensibilisieren.
„Das muss man ansprechen“, meint Dietmar Achleitner. Gekommen ist er zu den Vorständen und Seminaristen beider Münchener Ausbildungsstätten für Priester, dem Herzoglichen Georgianum und dem Diözesanseminar St. Johannes der Täufer, die gemeinsam diesen Nachmittag gestalten. Begleitet wird Dietmar Achleitner von Lisa Dolatschko-Ajjur, der Leiterin der Stabsstelle zur Prävention von sexuellem Missbrauch, die maßgeblich die Präventionsausbildung auch der Seminaristen mitgestaltet. Es ist still im Raum, als Dietmar Achleitner nüchtern von den quälenden Erlebnissen seiner Jugendzeit berichtet. Die Angst, die Scham, die Sprachlosigkeit, das Nichtwahrhaben wollen in seinem Umfeld – all diese Empfindungen sind verarbeitet, aber nicht vergessen. „Jeder sexuelle Missbrauch ist Mord an der Seele“ – davon ist Dietmar Achleitner aufgrund seiner Erfahrungen überzeugt.
Schnell entsteht ein Gespräch: Welche Gefühle zeigen sich bei den ersten Missbrauchserfahrungen? Welche Rolle spielt das familiäre Umfeld? Was braucht es, um sich überhaupt zu trauen, von seinen Erfahrungen zu sprechen? Wie verändert sich der Blick auf Gott, auf die Kirche? Offensichtlich ist es Dietmar Achleitner gelungen, im Leben immer wieder Halt zu finden und wirklich sein Leben führen zu können. Die Perspektiven des Gesprächs weiten sich: vom Biographischen hin zur Aufarbeitung vergangener Missbrauchsfälle und der Frage: Was ist juristische Aufarbeitung? Was ist moralisch-pastorale Aufarbeitung? Welche Rollen können dabei Staat, Medien, die Kirche spielen?
Die großen Fragen sind an diesem Nachmittag nicht beantwortbar. Aber auf der Ebene der Seelsorge ist der erste Schritt, mit sexuellem Missbrauch angemessen umzugehen: zuhören, Glauben schenken. Das ist für angehende Priester sicherlich die erste und die wichtigste Botschaft: Das Zuhören kommt vor jeder Antwort – immer, aber noch mehr im sensiblen Feld des sexuellen und geistlichen Missbrauchs. Dietmar Achleitner hat dazu ermutigt, dass es sich lohnt zuzuhören.